Diakonenweihe in einer Schwellenzeit

Am Freitag des Hochfestes Herz Jesu, am 24. Juni 2022, fand in der Kirche und Gemeinde Heilig Geist die Diakonenweihe von Jonas Treichel statt. Dort bzw. im Pastoralen Raum der künftigen Pfarrei Christi Auferstehung absolviert er derzeit sein Pastoralpraktikum, hier wird er auch als Diakon und Kaplan weiterwirken. Jonas Treichel stammt aus Osterberlin und wirkt in Westberlin. Als er geboren wurde existierte die Mauer zwischen Ost und West schon lange nicht mehr – die in den Köpfen freilich existiert hier und da noch immer.

Wer hochkirchliche Liturgie noch einmal erleben wollte, der hatte bei dieser Weihe dazu die Gelegenheit! Für kräftigen Chor- und Gemeindegesang sorgte der Kirchenmusikus Christoph Möller und der Kirchenchor der Gemeinde Heilig Geist auf der Empore. Orgelbraus und kräftige Stimmen! Top!

Vorne im Altarraum tummelten sich die Geistlichen: Weihbischof Heinrich, Regens Goy aus Berlin und Regens Pohlmann aus Erfurt, Jonas Heimatpfarrer, Hausherr P. Tanye, Diakone, Ministranten… Top!

Aber halt: Das waren keine Kinder-Minis, sondern schienen eher Seminaristen zu sein! Es gab dicke Weihrauchschwaden, professionelle Liturgie, wie eine normale Gemeinde das mit eigenen Bordmitteln allenfalls noch an den Hochfesten organisieren kann.

Volle Empore mit mächtigem Chor am einen Ende – voller Altarraum mit dem Klerus des Bistums am anderen. Dünn war es eigentlich nur dazwischen, im Kirchenschiff. Und wenn man die dort sitzenden geweihten Priester und angehenden Priesterkandidaten etwa des Neokatechumenat-Seminars von Redemtoris Mater oder den Verfasser dieser Zeilen abziehen würde, wäre es im Kirchenvolk sogar sehr dünn gewesen. Die Parole lautet nicht mehr „Wir sind das Volk (Gottes)“, sondern „Wo ist das Volk (Gottes)?“

Freilich kann die Klerikerdichte in Heilig Geist nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch ihre Reihen dünner werden. Ich selbst bin 1996 mit 20 weiteren Diakonen in einer riesigen, prall gefüllten Kirche in Rom zum Diakon geweiht worden. Jonas in einer normalen Gemeindekirche und zwar alleine. Er ist das einzige Kind seiner Eltern. Spätestens nach der Priesterweihe wird es auch im Altarraum von Heilig Geist luftiger. Und Christoph Möller und sein Chor wird auch nur an Festtagen singen.

Wie wird Jonas sein Amt als Diakon verstehen? Wird er ein Kleriker und Vertreter der Amtskirche, der über die Köpfe der „Basis“ hinwegzelebriert? Oder muss er die Ochsentour antreten und erst einmal ein paar Jahre Tomatensuppe auf Zeltlagern rühren, mit Jugendlichen kämpfen, ob es ihnen recht wäre, auch mal einen klitzekleinen Gottesdienst abhalten zu dürfen? Wird er ein Priester vom alten Schlag mit einem kleinen, aber treu ergebenen Fanclub von Ü-80 Katholiken? Einer der mit vorkonziliärer Liturgie und Latein kokettiert oder wird er schon bald aus der Kurve fliegen, weil die Zentrifugalkräfte doch zu sehr an ihm rütteln und die Einsamkeit an ihm nagen wird?

Es ist schwer geworden einen verbindlichen Lebensentwurf durchzutragen, sei es nun eine Ehe oder den eines Priesters. Die Freunde, die am Wegesrand stehen und einen anfeuern durchzuhalten, fehlen zunehmend. Die Zahl derer dagegen, die ermuntern aufzugeben, nimmt zu. Die Kirche hat nicht mehr die innere Kraft von früher ihre Leute bei der Stange bzw. bei der Berufung zu halten. Und für viele Zeitgenossen ist ein Diakon oder Priester eo ipso ein Vertreter des Systems (Missbrauch, Vertuschung, Amtskirche, Mittelalter…), da kann er es machen und sagen was er will. Die alte Kirche gibt es nicht mehr, aber die neue zeigt sich noch nicht richtig. Es ist eine Schwellenzeit. Und eine Zeit für Pioniere!

Gott segne Jonas Treichel und mache ihn zu einem guten Diakon und Priester.

P. Manfred Hösl SJ