Fastenpredigt von Dieter Hallervorden

Am 1. März begann die Fastenpredigtreihe 2020 zum Thema „Abbruch, Umbruch, Aufbruch: Glaube und Skepsis in brüchigen Zeiten“ mit dem Berliner Schauspieler Dieter Hallervorden, der sich statt eines klassischen Predigtformats von Pfarrer P. Hösl SJ interviewen ließ.

Passend zum Thema begann das Gespräch mit der Frage danach, ob und wie der Wechsel vom komisch-kabarettistischen Fach in die ernsten Rollen der jüngeren Zeit einen Umbruch dargestellt hätten, oder ob vielleicht nur unsere Wahrnehmung nicht stimmt – wenn man z.B. das Engagement Hallervordens für seine beiden Theater Schlossparktheater oder die Wühlmäuse in Rechnung stellt. Hallervorden begrüßte die Gemeinde freundlich und freute sich sichtlich, Rede und Antwort stehen zu können, auch wenn er zugab, von der vergangenen Nacht, einer Premierenfeier, noch etwas angeschlagen zu sein.

Er habe in seinem Leben tatsächlich manche Wechsel erlebt, hin vom schon an der Universität begonnenen politischen Kabarett zum komischen Sketch-Format und dann zu seinen Theaterrollen. Der Film „Sein letztes Rennen“ liege ihm besonders am Herzen, es sei ein großes Glück in seinem Beruf, Drehbücher zu bekommen, die eine solche Rolle enthielten.

Einen Ratschlag, wie man sich von einem festen Rollenbild befreien könnte, habe er nur indirekt. Zum einen müsse man sagen, dass man das auch können müsse, wonach man sich sehne – sonst sei das Unglück vorprogrammiert. Es komme aber seiner Meinung nach sowieso eher darauf an, dass man das mit dem Herzen tue, was man mache. Dabei komme es maßgeblich darauf an, was man selbst zu einer Situation beitrage. Bis heute mache er immer wieder die Erfahrung, dass es unglaublich einfach sei, Menschen zum Lächeln zu bringen, indem man sie selbst freundlich anlächele. Das funktioniere überall, auch in fernsten Ländern. Es dürfe aber eben kein künstliches Lächeln sei.

Auf den Film „Sein letztes Rennen“ angesprochen erzählte der Schauspieler, er habe sich akribisch auf die Rolle eines alternden Marathonläufers vorbereitet, indem er ein halbes Jahr lang jeden Tag trainiert habe. Es sei unglaublich, welche Effekte man erzielen könne, wenn man das tatsächlich jeden Tag tue. Spaß habe er allerdings am Laufen keinen gefunden und auch die berühmte Endorphinausschüttung sei ausgeblieben. Am Sport halte er aber fest, auch heute noch stehe er jeden Tag um 7 Uhr auf, um Sport zu machen. Der Rollencharakter hat sich mit dem Spruch „Auf – ab – auf – ab –auf – geht immer gut aus!“ als Optimist erwiesen; im echten Leben sieht Hallervorden sich eher als einen Realisten.

Bei der Fragen nach einem unerfüllten und vielleicht auch unerfüllbaren Traum in seinem Leben berichtete der Gast von einem von ihm für die Bühne adaptierten französischen Roman, in dem er ab September Gott selbst verkörpern werde. Nach dem Roman von J.-L. Fournier werde der „Lebenslauf Gottes“ vorgestellt. In der Geschichte verfällt Gott in eine tiefe Melancholie und entscheidet sich, Arbeit zu suchen, so wie jeder gewöhnliche Sterbliche auch. Dafür stellt er seinen Lebenslauf zusammen, formuliert ein Bewerbungsschreiben und wird umgehend zur Erde zitiert, zum Sitz einer großen Unternehmensgruppe. Vor ihm liegt eine Woche mit Tests und diversen Gesprächen, bei denen er zu allem, was die Menschheit bewegt, Rede und Antwort stehen muss. Darauf freue Hallervorden sich schon sehr und hoffe, die Premiere in guter Gesundheit zu erleben, denn immerhin werde er im September 85 Jahre alt.

Auch die Rolle des an zunehmender Demenz leidenden Großvaters im Film „Honig im Kopf“ habe er gerne gespielt. Er werde seitdem häufig zu Veranstaltungen eingeladen, bei denen es um diese Krankheit gehe. Er komme dann, weil er es wichtig finde, dass man sich mit Demenz und dem Umgang mit Demenzkranken befasse – eine echte Beratung könne er aber natürlich nicht geben, dass überlasse er den Medizinern.

Fastenpredigt Dieter Hallervorden
Fastenpredigt Dieter Hallervorden

An Gott glaube er jedenfalls in dem Sinne, dass er davon überzeugt sei, dass es eine höhere Existenz gebe; wie man die nun genau nenne, finde er nicht so wichtig. Von Gott könne man sich kein Bild machen und dürfe das auch nicht, denn er sei ein verborgener Gott; die Bilder von Gott seien menschliche Projektionen. Er wundere sich immer, wenn, insbesondere in Europa, vom „lieben Gott“ die Rede sei, das finde er ganz unangemessen. Der Schauspieler zitierte den Hebräerbrief: „Es ist furchtbar, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen.“ Für Christen sei doch ganz klar Jesus Christus die Bezugsperson, die das Wesen Gottes durch ihr Wirken in der Welt verdeutlicht habe, darauf komme es an, und sonst auf nichts.

Mit seinem Zitat „Wenn Sie vor vollen Rängen predigen wollen, müssen Sie es so präsentieren, dass die Leute es konsumieren wollen!“ konfrontiert und danach gefragt, was er Pfarrern in Sachen Gottesdienstgestaltung rate, antwortete Hallervorden humorvoll, das werde er nur dann verraten, wenn der Pfarrer ihm sage, wie er den Spielplan seines Theaters gestalten müsse.

Es treffe zu, dass der Schauspieler seine eigene Beerdigung bereits geplant habe. Er habe das ganz einfach deswegen getan, weil er seinen Angehörigen, vor allem seinen Kindern und seiner Lebensgefährtin, ersparen wolle, was er selbst erlebt habe, als es um die Bestattung von nahen Angehörigen gegangen sei. Da sei er auf wenig Mitgefühl und auf viel Geschäftemacherei gestoßen, das sei sehr unerfreulich gewesen. Das sei aber eher so wie bei einem 25jährigen, der eine Lebensversicherung abschließe – man hoffe, dass es bis zum Eintreten der Bedingungen noch recht weit hin sei.

Der Kirche rate er trotz der nun anders lautenden Entscheidung des Papstes in „Querida Amazonia“ den Pflichtzölibat endlich aufzugeben und Frauen eine stärkere Rolle zu geben. Das werde ohnehin irgendwann geschehen, wenn nicht unter diesem, dann eben unter dem nächsten Papst.

Fastenpredigt Dieter Hallervorden
Fastenpredigt Dieter Hallervorden

Die Menschen in der ausgesprochen gut besuchten Kirche erlebten einen aufgeräumten, ausgesprochen gelassenen Menschen mit Humor, der aber gerade auch seine Auseinandersetzung mit „ernsten“ Fragen glaubhaft vermittelte. Es gab immer wieder Lacher und Szenenapplaus – besonders zum Schluss, als die Reformbedürftigkeit der Kirche angesprochen wurde.

Als der Pfarrer Hallervorden zum Schluss noch ein kleines Geschenk übergab, zeigte dieser, dass ihm der Glauben wirklich am Herzen liegt, indem er einen kleinen Zettel mit einem zuversichtlichen Psalmenwort aus der Tasche zog – den habe er immer dabei.

Monika Becker